Depression
Depression ist energieloser (Selbst-) Hass
Eines der Hauptmerkmale einer Depression ist die Energielosigkeit. Sie zeigt sich als Müdigkeit (seelisch und körperlich), Motivationslosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Antriebslosigkeit. Wir sind innerlich energetisch zusammengesackt, was auch in Gefühlen von Unterlegenheit den Ansprüchen des Lebens gegenüber resultiert.
Uns fehlt seelisch und körperlich die Kraft zum Leben.
Unter dieser alles überdeckenden Müdigkeit und Erschöpfung, Lustlosigkeit und Traurigkeit liegt eine dicke Schicht von Hass und Ablehnung. Aus dem Selbsthass und dem Gefühl der Ausweglosigkeit kann sich Suizidgefahr ergeben, wenn er unter der Müdigkeit zum Vorschein kommt. Und da die oberste Schicht des Hasses in der Regel Selbsthass ist, ist die Tendenz zur Selbstauslöschung so groß. Diese Ausweglosigkeit ist eine Täuschung.
Der Weg in die Depression
Wir kommen weder depressiv auf die Welt, noch sind Kinder von alleine depressiv. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen können in dem ganzen hormonellen Schleudergang Stimmungsschwankungen leicht vorkommen – aber auch in diesem Alter ist Depression nicht „normal“. Nicht einmal ein schwerer Trauerfall muss eine Depression auslösen. Trauer ist im Grunde ein schmerzhafter, aber gesunder Prozess der Verarbeitung eines Verlustes und der Ablösung von einer Identifikation. In Depression verkehrt Trauer sich erst, wenn zum Beispiel Schuldgefühle, Groll oder Schuldzuweisungen hinzukommen. Für eine Depression müssen bestimmte innere Faktoren zusammentreffen, die gemeinsam die Totalblockade „Depression“ ergeben, aus der es aufgrund der unbewussten Konstellation von Ver- und Geboten keinen Ausweg zu geben scheint.
Das heißt also, dass eine Depression eine Entstehungsgeschichte hat, die natürlich nicht immer offensichtlich ist. Viele von uns geraten schleichend in eine Depression, weil wir mit unserem hoffnungsvollen Aufbruch in das Erwachsenenleben (oder schon vorher) immer wieder auf Ablehnung stoßen, immer wieder Frustrationen erleben, immer wieder und wieder uns selbst als machtlos, unwirksam, zu schwach, zu dumm, zu schlecht usw. erleben. Wir leben in einer Welt, in der wir dauernd wissen sollen, was wir wollen und welche Ziele wir haben. Wir bekommen aber keine Zeit und Möglichkeit, zu erfahren, wer wir wirklich sind. Und was wir jenseits von den Erwartungen von Eltern, Lehrern und Arbeitsmarkt eigentlich wollen. So kann es leicht gehen, dass wir uns sehr anstrengen, vielleicht auch etwas erreichen, was andere „viel“ nennen, aber dass wir doch irgendwann in einer Depression enden.
Ein menschliches Wesen benötigt viel Raum und Zeit, um die eigene Kraft zu erproben, zu erleben und zu steigern. Wir brauchen Gelegenheit, unsere Begeisterungsfähigkeit und Neugier auszuprobieren und zu erleben, um sie in unser Identitätsgefühl zu integrieren. Wir brauchen Liebe, um unsere eigene Liebesfähigkeit zu spüren, um motiviert zu sein, unser Verständnis von Mitmenschen zu vertiefen. Wir benötigen eine anregende, unterstützende und wohlwollende Umgebung, um ein positives Selbstgefühl zu entwickeln, das dann tatsächlich resilient ist, seinen Wert kennt, sein eigenes Leben leben kann.
Wenn wir aber über die Jahre des Erwachsenwerdens und des Erwachsenseins zu oft zu starke Einschränkungen, Begrenzungen, Frustrationen und Zurückweisungen erleben, und in zu vielen Situationen alleine und überfordert sind, wird sich unser Selbstgefühl nach und nach dem anpassen. Bis es depressiv ist. Bis die wenigen Lichtblicke in unserem Tag nicht mehr ausreichen, um das Dunkel zu erhellen. Bis wir an uns selbst nicht mehr glauben wollen.
Auf dem Weg in die Depression ist Scham auch ein wichtiges Thema. Scham ist eines der schwierigsten Gefühle überhaupt. Beschämt zu werden kann unmittelbar in Depression führen, wenn die Beschämung zu massiv ist oder zu oft. Scham ist in unserer Gesellschaft eine ständig lauernde Gefahr: Scham droht, wenn Dein Auto nicht cool genug ist (besser weiter weg parken), Deine Klamotten nicht teuer genug sind, Deine Wohnung zu klein und uncool für die Arbeitskollegen und so weiter. Wir schämen uns für unseren Körper, unser Einkommen, unser Wohnviertel und was nicht noch alles. Die Androhung von Scham reicht aus, uns eine solche Angst vor Fehlern einzujagen, dass wir Dinge nur in Angriff nehmen, wenn wir vom Erfolg ausgehen können oder nur solche, die ganz privat niemand mitbekommt. Die Angst vor Beschämung kann uns massiv in unserer Entwicklung einschränken (mehr dazu in „Der Drache“).
Und natürlich können wir auch Kinder von depressiven Eltern sein. Wenn unsere Mutter oder unser Vater (oder unsere Mütter oder Väter) ihrerseits depressiv waren, als wir Kinder waren, findet eine ganz frühe Internalisierung und Identifikation mit diesem schweren, traurigen Lebensgefühl statt. Eine starke emotionale Vernachlässigung, die uns in die Depression treiben kann. Diese Vernachlässigung können wir mit Selbstliebe und verständnisvoller Zuwendung auffangen. Das gilt es, zu lernen.
Bei allem, was ich hier beschrieben habe, ist unsere Frage: „Wie sieht das bei mir aus?“
Hat man uns als Kind oder in jugendlichem Alter jemand gespiegelt, dass wir stark sind? Dass wir intelligent sind? Dass Fehlermachen kein Problem ist, sozusagen dazugehören? Dass wir auch ohne jede Leistung ein toller Mensch sind? Dass es eine Freude ist, mit uns zusammen zu sein? Oder haben wir eher gegenteilige Botschaften bekommen?
Der Weg aus der Depression
Mit der Frage „Wie ist es bei mir gelaufen?“ beginnt der Weg aus der Depression. Der Weg aus der Depression beginnt immer mit einer Bestandsaufnahme. Es ist wichtig, den Ist-Zustand genau anzuschauen. Körperlich, mental, psychisch. Es stimmt zwar, dass dass das Wissen-wie-das-war an sich noch nichts ändert, es ist aber die Grundlage dafür, dass wir uns etwas Neues erlauben können. Es gibt eine Angst in uns, anders, unangepasst, bunt, laut zu sein. Wir haben eine massive Scheu vor unserer eigenen Vitalität entwickelt, um akzeptiert zu werden. Um Vertrauen zu gewinnen, ist Verstehen wichtig.
Körperlich: Wie ist mein allgemeiner Gesundheitszustand? Ist meine Ernährung gut genug, um meinen Körper mit Kraft zu versorgen? Habe ich eine Ahnung, wie meine Eisenwerte sind? Meine Blutwerte? Vitamin D? Meine Schilddrüsenwerte? Habe ich Bewegung, frische Luft und Sonne? Wenigstens ein bisschen? Es können auch schwerwiegende Vitalstoffmängel zu Müdigkeit und Erschöpfung führen, was im Nachgang aufgrund der ständigen körperlichen Überforderung eine Depression auslöst. In diesem Falle wäre die Depression am einfachsten zu beheben.
Wenn eine schwere Erkrankung oder Diagnose vorliegt und in der Folge die Depression entstanden ist, gibt es auch hier Möglichkeiten, den seelisch deprimierten Zustand in einen mental aufgeräumten und seelisch erfüllten Zustand zu wandeln. Das ist dann ein anderes Thema, aber ein sehr schönes: Die Auseinandersetzung mit unserer Endlichkeit führt direkt in die Frage, nach dem Wesen unseres Seins. Es ist eine der schönsten Frage der Welt. Dazu später mal mehr.
Menstruation und Menopause: Für alle Frauen ist ein einigermaßen ausgeglichener Hormonhaushalt extrem wichtig. Wenn die Menstruation sehr stark ist und ich unter PMS mit Schmerzen und Traurigkeit leide, kann das ein Auslöser für Depression sein. Jeden Monat 3-7 Tage quasi „krank“ zu sein, kann sich mit der Zeit negativ auf unser Selbstwertgefühl und unser Gefühl von Selbstwirksamkeit auslösen, weil uns ganz buchstäblich regelmäßig die Kräfte schwinden, um unseren Alltag freudig zu leben. Alle Phasen der Menopause können ebenfalls aufgrund hormoneller Verschiebungen zu Erschöpfung und Depression führen. Es gibt eine Menge pflanzlicher Helferlein (Rhapontik Rhabarber, Mönchspfeffer, Traubensilberkerze, Shatavari u.a.), die gut wirksam sind und die frau ausprobieren kann. Und auch eine (schulmedizinische) Hormonersatztherapie kann frau erwägen, wenn die Lebensqualität auf diese Weise erheblich gebessert werden kann. Natürlich mit fachkundiger ärztlicher Begleitung.
Mental: Wie sehe ich mich, wie sind meine Gedanken über mich und mein Leben. Erlebe ich viele negative Gedankenschleifen? Glaube ich sehr stark bestimmte negative Dinge – zum Beispiel, dass ich unfähig bin, oder dass die Welt ein schrecklicher Ort ist oder dass die Natur des Menschen schlecht ist? An unseren Gedanken und Überzeugungen sehen wir am leichtesten, was wir auf unserem Lebensweg bis hierher verinnerlicht haben. Auch hier: erst anschauen, erkennen, in die Tiefe gehen – den Ist-Zustand offenlegen. Eine interessante Herangehensweise ist es auch, sich gegenüberzustellen, was wir tatsächlich über uns denken – bis jetzt also -, und was wir am liebsten über uns denken würdest. Dann können wir uns anschauen, welche Ereignisse und Situationen in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass wir so über uns denken. Vielen von uns ist gar nicht klar, dass wir NICHT unsere Gedanken sind, dass wir unser Denken und Fühlen beobachten, verstehen und verändern können – weil es NICHT die Realität ist.
Psychisch: Wie geht es mir gefühlsmäßig? Gibt es Dinge, an denen ich Freude habe oder hatte? Bin ich stark unter Druck oder gestresst durch äußerliche Faktoren? Habe ich jeden Tag das Gefühl, die Erwartungen anderer erfüllen zu sollen? Habe ich Zeit für mich selbst? Und wenn ja: weiß ich dann etwas mit mir anzufangen? Was sind meine Neigungen und Begabungen und kommen sie in meinem aktuellen Leben vor? Wonach sehne ich mich wirklich? Was fehlt mir gerade meisten? Ist es Urlaub von allem, oder Geld, oder ein Partner, oder Kinder, oder das Gefühl, gebraucht zu werden? Wenn ich drei Wünsche frei hätte, was würde ich mir wünschen?
Wünsche sind ein Ausdruck unseres Herzens. Wir machen unsere Wünsche nicht selbst. Wir finden sie tief in uns vor. Wer hat sie da hingelegt? Kann ein teifer Wunsch nach tatsächlich ein seelischer Wegweiser aus der Depression sein?
Wenn wir in diesen Bereichen, wie oben beschrieben, für uns selbst eine gewisse Klarheit haben und wissen, wo wir stehen, dann haben wir den Weg aus der Depression bereits angetreten. Es gibt viel zu lernen und viel zu leben. Und mich fachkundiger Hilfe ist es soooo viel leichter.